Dienstag, 22. Juni 2010

Das katholische PR-Desaster - Psychologe Grünewald: "Das ist ein Führungsproblem"

Psychologe Grünewald

"Das ist ein Führungsproblem"

Bischöfe werfen einander Intrigen vor, verbreiten Details über Krankheiten von Mitbrüdern. PR-Desaster oder Ankunft in der Realität? Psychologe Grünewald rät im FR-Interview zu Geschlossenheit - und zur Selbstreinigung.
Stefan Grünewald
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Stefan Grünewald
Herr Grünewald, Bischöfe werfen einander Intrigen vor, verbreiten Details über Krankheiten von Mitbrüdern. PR-Desaster oder Ankunft in der Realität?

Dass all diese Dinge offenbar sehr real sind, vergrößert das Desaster nur noch. Mitten in einer der größten Vertrauenskrisen und gesellschaftlicher Verunsicherung zeigt sich: Nicht einmal mehr die Kirche ist eine Bastion des Vertrauens und der Verlässlichkeit.

Für ihre Kritiker war sie das nie.

Aber selbst in der Kritik ist die Sehnsucht lebendig. Viele Menschen wollen sich ja an etwas halten, das "höher" ist als die Niederungen ihres eigenen Daseins. Derzeit räumt die Kirche selbst mit solchen Illusionen auf und enttäuscht damit viele.

Wer enttäuscht ist, hat sich vielleicht getäuscht.

Im psychoanalytischen Sinne ist es gut, wenn die Menschen merken, diese Institution ist nichts Überirdisches. Vom Standpunkt des Glaubens aus gesehen, bedeutet es aber eine gewaltige Erschütterung, wenn Seelsorger so aufeinander losgehen oder wenn ein Bischof exzessiver Prügel beschuldigt wird, aus dem Amt gedrängt werden muss und dann mit dem "Rücktritt vom Rücktritt" neue Verwirrung stiftet.

Zu welcher Kommunikationsstrategie raten Sie der katholischen Kirche?

Aufklären und Geschlossenheit demonstrieren.

Geschlossenheit? Es war doch immer einer der Hauptvorwürfe an die Bischöfe, Konflikte zu bemänteln: Ihr tut bloß so, als wärt ihr alle Brüder.

 Ich meinte: Geschlossenheit im Willen zur Selbstreinigung. Wenn es unter den Bischöfen so zugeht wie in der französischen Nationalelf, aus deren Kreis die wüstesten Sprüche und Beleidigungen nach außen dringen, dann ist ihr selbst mit der schönsten Kommunikationsstrategie nicht zu helfen.

Gehen wir also vor der PR dem Problem auf den Grund ...

... das ein Führungsproblem ist. Im Fall Mixa etwa müssten der Münchner Erzbischof oder letztlich der Papst ein solches Hin und Her unterbinden. Ausgerechnet in der so hierarchisch strukturierten katholischen Kirche scheint es aber keinen zu geben, der ein Machtwort spricht. Das gehört zum Prinzip geistiger Führerschaft genauso wie das unmissverständliche Bekenntnis, Missstände zu beseitigen. Dass der Papst sich endlich bei den Missbrauchsopfern entschuldigt hat, war dafür immerhin ein erster Schritt.

Schließt geistige Führerschaft die Trennung von denen ein, die ihr im Wege stehen?

Klare Konsequenzen sind unumgänglich. Sie dürfen aber ihrerseits nicht wieder mit Nachtreten und übler Nachrede verbunden sein. Denn sonst gerät die professionelle Sanktion sogleich wieder ins Geflecht von Machenschaften. Das schafft ein neues Gefühl von Intransparenz - und passt überhaupt nicht zum Bild der Kirche als einer Institution, die sich von anderen unterscheiden will.

Haben Sie einen Claim für die Kirche auf Lager?

Wir haben verstanden. Und: Wir geloben Besserung.

 

Posted via web from stadtgespraech's posterous

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