Mittwoch, 14. April 2010

Zeitungskrise: US-Journalisten fürchten den eigenen Untergang

Von Christian Stöcker

Laptop, Zeitung: US-Zeitungsmacher sehen das Ende nahen, wenn sich nichts ändert
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Corbis

Laptop, Zeitung: US-Zeitungsmacher sehen das Ende nahen, wenn sich nichts ändert

So apokalyptisch war die Stimmung unter US-Medienmachern selten. Mehr als die Hälfte der Befragten in einer Studie unter Zeitungsjournalisten gibt dem eigenen Haus nur noch zehn Jahre oder weniger - wenn sich nicht neue Geldquellen auftun. Die aber sind nicht in Sicht: Die Magazin-Erlöse etwa gingen erneut zurück.

Es ist zu vermuten, dass Google-Chef Eric Schmidt Dinge oft nicht so meint, wie sie am Ende klingen. Am Sonntag sprach Schmidt vor Menschen, die sein Unternehmen wenn nicht hassen, so doch mindestens mit Argwohn betrachten: Den Chefs von US-Zeitungen bei der Tagung der American Society of News Editors. Dort dachte er laut über Lösungsmöglichkeiten für die Probleme der US-Medienbranche nach und sagte unter anderem: "Wir haben ein Geschäftsmodell-Problem. Wir haben kein Nachrichtenproblem."

Als ob das nicht jedem Journalisten und Verlagsmanager klar wäre. Wie tief die Erkenntnis aber sitzt, dass das Geschäftsmodell der Zeitungen insbesondere in den USA einen vermutlich irreparablen Schaden hat, zeigt eine aktuelle Umfrage unter Journalisten: 54 Prozent der befragten Zeitungsleute sagen, ihre Unternehmen würden noch höchstens zehn Jahre überleben, wenn man nicht bedeutsame neue Umsatzquellen anzapfe, 31 Prozent gaben ihren Arbeitgebern sogar nur noch fünf Jahre, einige noch weniger. Welche Umsatzquellen das sein sollen, da ist man sich augenscheinlich aber nicht so sicher.

 

Die Autoren der Studie formulieren es so: "Es bildet sich ein gewisser Konsens, dass die Nachrichtenbranche, um zu überleben, mehr tun muss, um neue Erlösmodelle zu entwickeln, nicht nur darauf warten, dass konventionelle Display- und Banner-Werbung wächst." Befragt wurden insgesamt 353 Führungskräfte aus Zeitungen, Rundfunk und TV, die Ergebnisse präsentiert Pew aber unter anderen nach Mediengattung unterteilt.

Was die Studie auch deutlich macht: Gerade die Zeitungsmacher sind heute mehrheitlich überzeugt, dass kostenfreie Nachrichtensites im Rückblick betrachtet ein fataler Irrweg waren. 59 Prozent sagen der Studie zufolge heute: "Wir hätten von vorneherein für Inhalte Geld verlangen sollen." Das versäumt zu haben sei "der dominante" (27%) oder "ein wesentlicher" (32%) Faktor, der für die Herausforderungen von heute verantwortlich sei.

Sehr unbeliebte Modelle: Spenden, Geld von Aggregatoren

Die eigenen Angebote jetzt hinter einer Bezahlwand zu verstecken, halten trotzdem nicht alle für eine gute Idee, nicht einmal die Mehrheit. Nur 13 Prozent der befragten Zeitungsmacher nannten Abo-Modelle fürs Netz "einen wesentlichen Teil unserer Bemühungen", fünf Prozent sprachen von "einem kleinen Teil", während 58 Prozent Bezahlschranken zwar erwogen, aber keine Schritte zur Umsetzung unternommen haben. Ob Bezahl-Nachrichtenseiten in drei Jahren nennenswerte Anteile ihrer Erlöse liefern würden, beantworteten 23 Prozent der Zeitungsleute mit "Ja". Noch deutlich unpopulärer sind jedoch andere Modelle - etwa Spenden (zwei Prozent der Zeitungsleute) oder Gebühren von Aggregatoren wie Suchmaschinen (elf Prozent der Zeitungsleute).

Neue Nahrung für die Depression einer ganzen Branche bieten auch neue Zahlen aus dem Bereich der Magazinpresse in den USA, zur Verfügung gestellt vom Verband der Magazinverlage. Im ersten Quartal 2010 wurden 9,4 Prozent weniger Anzeigenseiten bezahlt als im Vorjahresquartal. Und das war schon schlimm: Denn Anfang 2009 waren die Anzeigenverkäufe schon um fast 26 Prozent eingebrochen. Die Umsätze gingen dabei nicht ganz so dramatisch zurück: Im ersten Quartal 2010 brachten Magazin-Anzeigen demnach 3,9 Prozent weniger ein als im Vorjahreszeitraum. Der Gesamtumsatz für die drei Monate ist immer noch beachtlich: Gut vier Milliarden Dollar. Gejammert wird also auf hohem Niveau - und viele Magazine konnten sogar rasantes Wachstum verzeichnen, "Martha Stewart Weddings" etwa warb 77 Prozent mehr Anzeigen ein, der "Scientific American" gut 33 Prozent und "Wired" immerhin gut elf Prozent.

Das Internet macht alles schlechter, auch den Journalismus?

Die Depression der US-Branche geht aber über schlechte Zahlen hinaus, glaubt man den Zahlen, die Pews "Excellence in Journalism"-Projekt ermittelt hat. 58 Prozent der befragten Zeitungsleute und TV- und Rundfunkmanager sind demnach nämlich der Meinung, der Journalismus in den USA sei "in die falsche Richtung unterwegs". 62 Prozent sagten, das Internet habe journalistische Werte verändert. Und wie diese Veränderung wahrgenommen wird, ist ziemlich eindeutig: Standards würden gelockert, glauben 65 Prozent der Befragten, 30 Prozent diagnostizieren, durch das Internet habe die Betonung von Schnelligkeit im Nachrichtengeschäft zugenommen.

 

Die Frage, das ist hier nicht unwesentlich, war offen gestellt - die Befragten schrieben nur nieder, was ihnen eben einfiel zum Einfluss des Internets auf den Journalismus. Auf beunruhigende Weise erhellender sind denn auch weniger die Antworten, die häufig gegeben wurden - sondern die Veränderungen, die den wenigsten in den Sinn kamen. Dass das Netz dem Journalismus mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit geben könnte etwa, schrieben nur zwei Prozent der Befragten auf, nur fünf Prozent nannten die gewachsenen Möglichkeiten, mit den eigenen Lesern oder Zuschauern in Kontakt zu treten. Ebenfalls nur einem Prozent (drei Prozent der Zeitungsmacher) fiel ein, dass das Internet generell mehr Zugang zu Nachrichten und Information erlaubt.

 

Das wäre, hätte man Eric Schmidt gefragt, wahrscheinlich weiter vorne auf der Liste gelandet. Bei der Tagung der Society of News Editors sagte Schmidt auch: "Die Technologie erlaubt Ihnen, direkt mit Ihren Nutzern zu sprechen." Wirklich gute Ideen, wie der auch von ihm für zentral gehaltene Journalismus künftig finanziert werden soll, hatte aber auch der Google-Chef nicht. Man müsse seinen Lesern dahin folgen, wo sie sind, sagte Schmidt, mit Inhalten für Kindle, iPad oder Android-Handys. Die Verlage würden künftig wohl mit einer Mischung aus Abo-Gebühren und Anzeigenerlösen ihr Geld verdienen.

Schmidts Solidaritätsbekundung dürfte sich für den einen oder anderen im Saal ziemlich hohl geklungen haben: "Wir müssen da zusammen durch."

 

Posted via web from stadtgespraech's posterous

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